HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandpresse, Hamburger Abendblatt, Kommentar, Fifa-Entscheidung zur Fußball-WM in Katar

Wir gehen an dieser Stelle mal davon aus, dass Sie
über Katar wenig wissen, daher hier in aller Kürze: Es handelt sich
um ein Emirat, das durch Öl und Erdgas sehr reich wurde, im Süden an
Saudi-Arabien grenzt, im Rest an den Persischen Golf. In Katar gibt
es kaum Regen, dafür viel Luftfeuchtigkeit (85 Prozent), einen König,
der absolut herrscht, sowie im Sommer um die 40 Grad im Schatten.
Katar ist halb so groß wie Hessen bzw. 15-mal größer als Hamburg.,
hat 1,7 Millionen Einwohner (soviel wie Hamburg) und belegt in der
Fifa-Rangliste Platz 104. In zwölf Jahren ist dort Fußball-WM. Falls
Sie sich nun fragen, was die Männer des Weltfußballverbands dazu
bewogen haben könnte, einen sauheißen Wüstenfleck, dessen Name die
meisten Fans bis gestern für eine Atemwegserkrankung gehalten hätten,
zum Gastgeber des bedeutendsten Sportereignisses der Jetztzeit zu
machen, müssen auch wir leider passen. Die Abstimmungen des
Exekutivkomitees sind geheim, und was Fifa-Chef Sepp Blatter an
Gründen vorweist, hat allen Erfahrungen zufolge mit den wirklichen
Motiven nur wenig zu tun. Sicher ist nur eins: Der Fußball selbst
kann kein Argument gewesen sein. Nun war die Fifa noch nie ein
Verband, dem man allzu viel Publikumsnähe nachsagen könnte, unter der
Fuchtel des Schweizers Blatter aber nimmt das allseitige Gemauschel
groteske Züge an. Viele der 24 Komitee-Mitglieder sind daheim in
Bestechungsaffären verwickelt, zwei Funktionäre wurden erst vor
Wochen suspendiert, weil sie von der BBC dabei gefilmt worden waren,
wie sie ihre Stimmen gegen Millionen feilboten. Die Schlüsselfigur
beim 2022er-Poker war wohl Mohammed Bin-Hammam. Der Katarer ist Chef
des Asienverbands und hat eine wechselvolle Karriere in Blatters
Entourage hinter sich. Erst Kofferträger, mutierte er zum großen
Gegenspieler des Schweizers bei dessen geplanter Wiederwahl 2011. Bis
er im August seine Kandidatur zurückzog und völlig überraschend
Blatter seine Stimme versprach. Ein Schelm, der Käufliches dabei
denkt. Wie auch immer. Wenn sich Fans und Spieler vom Hitzeschock
erholt haben, werden sie auch die Katar-WM bevölkern und bejubeln, so
zumindest ist Blatters Kalkül. Nur wenn das Publikum wegbleibt, muss
sich der korrupteste aller Weltverbände ernsthaft Gedanken um
Erneuerung machen. Und wer will schon einen WM-Boykott fordern?

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