WAZ: „Ich spiele gerne Fußball, aber nicht um jeden Preis!“

WAZ-Interview mit dem serbischen Nationalspieler
Neven Subotic von Borussia Dortmund

Dortmund/Genua. Die Bilanz des am Dienstag wegen Krawallen
serbischer Hooligans abgebrochenen EM-Qualifikationsspiels zwischen
Italien und Serbien liest sich verheerend: 16 Verletzte, dazu 17
Personen in Haft. Der europäische Fußballverband Uefa ermittelt und
droht mit Stadionverboten und Punktabzügen. Neven Subotic (Borussia
Dortmund) war als serbischer Nationalspieler in der „Hölle von
Genua“ (Tuttosport). WAZ-Redakteur Thorsten Schabelon sprach mit
Neven Subotic.

Herr Subotic, Sie waren beim Spielabbruch in Genua mittendrin.
Neven Subotic: So etwas habe ich noch nicht erlebt. Die italienischen
und die serbischen Fans waren nebeneinander in Blöcken, haben sich
hochgeschaukelt. und unsere Fans wurden mit einem Wasserschlauch
bespritzt. Dummerweise sind Sie leicht provozierbar. Kurz nach dem
Anpfiff flog der erste Bengalo, dann der zweite, der dritte und als
so ein Ding den italienischen Torwart am Fuß getroffen hat, war
Schluss.

Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt Angst? Nein, eigentlich nicht.
Angst hatte ich nur vor dem Spiel. Da sind unglaubliche Sachen
passiert.

Erzählen Sie.

Wir saßen im Mannschaftsbus vor unserem Hotel, waren abfahrbereit
zum Stadion und haben noch auf einen Mitspieler gewartet. Plötzlich
marschierten 40 serbische Hooligans die Straße runter und kamen zu
unserem Bus. Wir dachten, okay, das sind unsere Fans. Dann sind fünf
in unseren Bus gestiegen.

Was passierte weiter? Sie haben unseren Torwart Vladimir Stojkovic
gesucht. Der ist von Roter Stern zu Partizan Belgrad gewechselt, das
ist für die Hooligans noch schlimmer als ein Wechsel von Borussia
Dortmund zu Schalke 04. Plötzlich ist die Situation eskaliert. Einer
von den Typen hat im Bus, ganz in der Nähe von dem Hamburger Gojko
Kacar, einen Bengalo angezündet, den hochgehalten und geschwenkt.

Mitten im Bus? Ja, unglaublich. Diese unglaubliche Hitze, der
dichte Rauch, die dünne Luft und diese Enge. Du konntest nicht mehr
atmen. Wir haben sofort die Köpfe runtergebeugt und versucht, am
Boden Luft zu bekommen.

Gab es keinen Polizeischutz für Ihre Mannschaft? Doch. Aber die
italienischen Polizisten standen draußen und haben uns demonstrativ
den Rücken zugewendet. Irgendjemand hat das brennende Ding dann
rausgeworfen. Wir hatten Glück. Ich hätte nie gedacht, dass ich so
was mal erleben muss.

Ihnen und Ihren Mitspielern ist also nichts passiert? Aber der
Schreck sitzt sicher tief. Das können Sie glauben. Noch mal: Das sind
unsere eigenen Fans. Wir hatten alle Angst. Du weißt ja nicht, ob so
jemand ein Messer dabei hat oder sonst noch was. Richtet sich die
Gewalt jetzt gegen Spieler? Wie weit geht so jemand? Muss ich um mein
Leben fürchten? Es ist so ein Gefühl der Unsicherheit, das dich
quält. Und das hinterlässt Spuren. Ich spiele gerne Fußball, aber
nicht um jeden Preis. So kann es nicht weitergehen.

Sie gelten als Typ, der abschalten kann und schnell zum nächsten
Spiel übergeht. Ist das nach so einem Überfall möglich? Wie kann dich
sowas unberührt lassen? Ich bin aber jetzt wieder beim BVB und spiele
in der Bundesliga. Hier ist mir so etwas zum Glück noch nie passiert.
Und hier fühle ich mich auch sicher.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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