WAZ: Königsgrauer S 04. Kommentar von Frank Lamers

Wir befinden uns nicht mehr in der Frühphase der
Bundesliga-Saison, in der die Tabelle die Inhaltsstärke einer
deutschen TV-Seifenoper hat. Wir befinden uns in einer Phase, in der
ein Aufenthalt im Keller einen Schrecken verbreitet, der real ist.
Wer unten steht, der muss damit rechnen, dass am Ende das Licht
ausgemacht wird. Was beim FC Schalke 04 derzeit passiert, hat also
Doku-Drama-Charakter.

Am Samstag wurde in Kaiserslautern gedreht. Der Tabellen-13.
empfing den Tabellen-15., zerstörte ihn mit einem 5:0-Sieg und
distanzierte ihn tabellarisch. Die eingefangenen Bilder
demonstrierten die Hilflosigkeit der Verlierer. Die eingefangenen
Töne demonstrierten ihre Zerrissenheit und ihre Tendenz zur
Selbstzerfleischung.

Beim Nachdreh auf Schalke wurde dann das eingefangen, was
allgemein als „Reaktion“ bezeichnet wird. Die Bilder sollten Macht
dokumentieren. Die Macht des Trainers. Die Macht des Felix Magath.
Spiel vergeigt, Winterurlaub gestrichen. Wer jetzt Beifall klatscht,
sitzt allerdings im falschen Film. Die Hauptrollen im königsgrauen
Realitätsprogramm sind durch Mehrfachmillionäre mit Starappeal
besetzt. Struwwelpeter-Pädagogik wird die Gruppentauglichkeit dieser
Extrem-Individualisten kaum fördern.

Und die ist es ja wohl, die nicht funktioniert beim S 04:
die Gruppe. Auf der großen Bühne Champions League wird die Motivation
aus der Sehnsucht jedes einzelnen Spielers nach Glanz gespeist. Auf
der vermeintlich kleineren Bühne prallen das Berufs-Ethos und die
Liebe zum Klub eines Ur-Schalkers wie Kapitän Manuel Neuer am Phlegma
weiterer Gehaltsempfänger ab, das nur aufgeweicht werden könnte
durch: die Stiftung von Zusammengehörigkeitsgefühl, von Teamgeist.

Teamgeist zu vermitteln, gehört traditionell in den
Aufgabenbereich des Trainers. Magath jedoch spaltet. Er kam, sah und
propfte einem über Jahrzehnte gewachsenen Klub sein System auf. Das
System Magath. An entscheidenden Stellen ausgefüllt durch das
Personal Magath. Wenn Schalke der VfL Wolfsburg wäre, müssten die
Konsequenzen daraus nicht irritieren. Erfolge in der Königsklasse,
Durchmogeln mit ein bisschen Angstschweiß auf der Stirn in der Liga:
Das könnte dem von Volkswagen alimentierten Ex-Klub des Trainers
sogar gefallen. Und wenn nicht: Dann würde der Versager eben
abgefunden. Großzügig.

Auf Schalke dagegen ist es so: Die Frage, ob Trainerentlassung
und/oder Abstieg finanziell zu überstehen wären, rein theoretisch,
hat die Vereinsführung noch nicht beantwortet. Ein klares „Ja, wir
könnten“ aber würde für Beruhigung sorgen. Ein Störfall lässt sich
einfach leichter verkraften als ein Super-GAU.

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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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