Es gibt Familien, in denen sich pünktlich zum Fest
Sprachlosigkeit ausbreitet. Die Fußballfamilie jedoch wird nicht vom
großen Schweigen angefallen. Im Gegenteil. Weihnachtszeit ist
traditionell Plauderzeit. Zum Jahresende 2010 griffen unter anderem
zum Wort: Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und
Michael Ballack, der bei der Nationalmannschaft ebenfalls eine Rolle
ausfüllt, es war nur zuletzt nicht mehr ganz klar, welche.
Michael Ballack selbst leidet bekanntlich an diesem akuten Mangel
an Rollendefinition. Deshalb hat der Alt-Kapitän in seinem Päckchen
mit den gesammelten Sprechblasen eine kleine Spitze untergebracht. Er
hätte ja schon erlebt, wie bei einer geplanten Verabschiedung mit
anderen Spielern umgegangen worden sei, so wisse er nicht, ob es ihm
nicht ähnlich ergehen werde. Rumms. Der Bundestrainer dürfte das
Päckchen aber entweder gar nicht von den Schleifen befreit oder die
kleine Spitze ruckzuck in ein wenig Watte entsorgt haben. Löw nämlich
hat bei seinem – etwas später terminierten – Weihnachtsgeplauder
angekündigt, dass Ballack im Falle einer Rückkehr ins Team die
bedeutende Binde wieder tragen soll.
Fügt man die Äußerungen des dritten Granden Bierhoff noch hinzu,
ergibt sich eine seltsam asymmetrische Gesprächsskulptur. Ballack hat
eine Spitze eingebracht. Löw ein bisschen Frieden. Und Bierhoff
einerseits eine Reflexion darüber, dass Ballack es möglicherweise als
Erleichterung empfinden könnte, die Last des Kapitänsamtes nicht mehr
so ganz allein schultern zu müssen. Und andererseits: Einen Rüffel
für Philipp Lahm, den Interimskapitän, der vor dem Halbfinale der WM
verkündet hatte, er wolle die Binde mit seinem Arm verschweißen.
Hätten der Jogi, der Olli und der Balle geschwiegen, wäre der
Fußballfamilie die seltsame Asymmetrie und damit Irritierendes
erspart geblieben. Klar ist doch seit langem: Michael Ballack wird
Stand der Dinge zweiter Weihnachtstag 2010 an Bastian Schweinsteiger
und Sami Khedira nicht vorbeikommen. Es sei denn, einer der beiden
WM-Stars, die seine möglichen Positionen besetzen, schwächelt oder
verletzt sich übel. Dann ist der 34-Jährige in Top-Form natürlich
eine Option für den Bundestrainer. Allerdings: Sprachlosigkeit
strahlt so viel Kälte aus. Da plaudert man sich doch lieber warm, da
sorgt man doch lieber dafür, dass am Kaminfeuer des Fußballs der
Gesprächsstoff nie ausgeht.
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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